Joona Keskitalos Thriller „Tottelemattomat“ („Die Ungehorsamen“)
Achtung: Deutsche Rechte bereits vergeben
Die finnische Spannungsliteratur ist seit August dieses Jahres um eine starke Stimme reicher: Der Roman „Tottelemattomat“ („Die Ungehorsamen“, Verlag: Bazar) des erst 29-jährigen Autors Joona Keskitalo beschreibt auf seine ganz eigene ungeschönte Weise die Entwicklung von vier eigentlich unbescholtenen Männern Anfang dreißig zu einer gnadenlosen Drogengang, die auch vor Geschäften mit Rockerclubs und der russischen Mafia nicht zurückschreckt.

Pete ist Chef einer kleinen Marketingagentur und will mit einer neuen Geschäftsidee bei einflussreichen Investoren einen großen Coup landen, doch die Sache geht gründlich in die Hose. Als dann auch noch sein größter Auftraggeber abspringt, sieht er sich kurz vor der Insolvenz. Max hat ein Aggressionsproblem und hält sich finanziell mit einem Geschäft für Arbeitskleidung gerade so über Wasser. Als er eines Tages aus Frust in der Kneipe einen über den Durst trinkt, wird er vom Chef eines Rockerclubs angesprochen, der ihm vorschlägt, für 60.000 Euro von ihm Marihuana zu kaufen und das Zeug mit einem ordentlichen Gewinn wieder zu verkaufen. Max sagt im Suff begeistert zu, nur fällt ihm am nächsten Tag auf, dass er gar keine 60.000 Euro hat. Ein zufälliges Treffen mit dem gut gekleideten und scheinbar erfolgreichen Pete, seinem früheren Schulfreund, lässt Hoffnung aufkeimen, doch beide sind blank. Die Rettung: Jonas und Jesse, die beiden Kumpels, die mit ihnen früher auf dem Schulhof geschmuggelte Zigaretten verkauft haben. Jesse ist Gründer einer erfolgreichen IT-Sicherheitsfirma, Jonas ein kleines Licht in einer Rechtsanwaltskanzlei. Sie bringen das Startkapital zusammen, und mit ihrer geballten Berufserfahrung und einem ausgeklügelten, zeitgemäßen Marketingkonzept ziehen die vier flugs einen Online-Drogenhandel auf und können den Stoff zu ihrer eigenen Überraschung in kürzester Zeit an den Mann bringen. War doch gar nicht so schwer!
Bis auf Jesse (der eigentlich nur nie Nein sagen kann) haben alle Blut geleckt und sehen in der neuen Geschäftstätigkeit nicht nur das schnelle Geld, sondern auch neue Selbstverwirklichungsmöglichkeiten. Bald wird nicht mehr beim Rockerclub eingekauft, sondern bei der russischen Mafia. Insbesondere Jurist Jonas blüht im Laufe der Zeit immer mehr auf und legt zur Geldwäsche ein ganzes Konglomerat von Briefkastenfirmen in aller Welt an, außerdem entwickelt er die Idee für ein Bitcoin-Casino. Doch nicht alles läuft glatt, der Bitcoinwert verfällt plötzlich, und sie haben die russische Mafia am Hals, die die angelegten und nun verlorenen 5 Millionen Euro von ihnen zurückfordert. Erste Verluste sind zu beklagen, doch vor allem Jonas, der Mastermind der Gruppe, will und kann nicht mehr aufhören, und auch die Umstände lassen den verbliebenen Männern kaum eine Wahl. Bis ihnen der oberste Drogenfahnder der Polizei Helsinki immer mehr auf die Schliche kommt. Doch auch der hat sein schmutziges kleines Geheimnis …
Hardboiled statt nordisch-skurril
Der Roman ist das Gegenteil von einem Whodunnit und daher alles andere als ein klassischer Krimi: Er legt von Anfang an die Personen und Motive des Verbrechens offen und zeigt, wie die vier Männer sich immer weiter von dem entfernen, was sie vorher als ihr „normales Leben“ ansahen. Spannend ist hier vor allem die Entwicklung der Charaktere von Durchschnittstypen hin zu hartgesottenen Kriminellen, die immer bereit sind, den nächsten Schritt zu tun, der sie noch tiefer ins Verderben reitet. Egal ob Gier, Selbstverwirklichung, Machtstreben: Wie der Roman die Figuren gnadenlos unter dem Brennglas seziert, ist von Keskitalo meisterhaft gemacht. Ein Übriges tut seine klare, scheinbar einfache Sprache dazu, die nichts beschönigt, sondern ohne Umschweife beschreibt, was ist, und uns damit ein äußerst intensives Leseerlebnis beschert. Dieser Roman ist nicht nordisch-skurril, sondern hardboiled. Und trotz einiger grenzwertiger gewalttätiger Szenen ein echter Pageturner!
Nicht umsonst sind die TV-Rechte für den Titel, der als erster Band einer Trilogie geplant ist, bereits verkauft. Der zweite Band wird 2022 erscheinen. Aus meiner Sicht dürfte Keskitalo eine ebenso vielversprechend Karriere ins Haus stehen wie dem schon jetzt sehr erfolgreichen finnischen Spannungsautor Max Seeck.
Joona Keskitalo: Tottelemattomat. Roman, Bazar. 381 Seiten
Erscheinungsdatum: 12.8.2021
Die Rechte liegen bei der Agentur Ferly: info@ferlyco.com
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